„Die Bejagung dieser invasiven gebietsfremden Tierart ist leider unumgänglich, da sie weitestgehend der Schadensabwehr dient“, teilte jüngst ein Sprecher des Landesjagdverbandes mit. Denn durch ihre unterirdischen Gänge beschädigten die Nager Wasserschutzdämme und vernichteten weite Teile von Schilfgürteln. Auch so manche landwirtschaftliche Frucht wie etwa Mais und Rüben wird nicht verschmäht.
Dabei müssten die erlegten Kadaver nach Ansicht des Landesjagdverbandes keineswegs ungenutzt weggeworfen werden. Das Fell der Tiere, die auch als Sumpfbiber oder Biberratte bezeichnet werden, eigne sich mit bis zu 17 500 Haaren pro Quadratzentimeter zur Verarbeitung als Pelz. Das geschmolzene Fett werde mancherorts bei der Linderung von Bronchitissymptomen oder einer Lungenentzündung eingesetzt. Auch das Fleisch gelte in vielen Ländern der Welt als Delikatesse.
Geschmack „zwischen Spanferkel und Kaninchen“
Dass die kulinarischen Vorzüge des zarten und laut Kennern „an eine Mischung aus Spanferkel und Kaninchen“ erinnernden Nutriafleisches in Deutschland bisher wenig zur Geltung kamen, liegt laut Jagdverband auch an dem geringen Bekanntheitsgrad der Tiere. Außerdem mute möglicherweise das Erscheinungsbild der Nager oft unappetitlich an. „Die großen orangen Zähne und der lange nackte Schwanz ähneln ja doch eher einer Ratte, welche man nicht mit einem wertvollen Nahrungsmittel in Verbindung bringen würde“, heißt es seitens des Jagdverbandes.
Horrende Preise
Unter Feinschmeckern und Fleischliebhabern, die das Neue und Außergewöhnliche suchen, soll Nutriafleisch derweil einen kleinen Boom erleben. Vielleicht lässt sich damit auch der horrende Preis von rund 50 Euro pro Kilo erklären, für den das Fleisch von einer Metzgerei aus Chemnitz in ihrem Onlineshop derzeit angeboten wird. Bei Schlachtgewichten zwischen drei und fünf Kilo kommen so 150 bis 250 Euro für den Sonntagsbraten zusammen. Deutlich günstiger sollte es da beim Jäger aus der Region werden.
Ein Umstand, der auch viele Weidmänner und -frauen davon abgehalten hatte, die Nager zu probieren, lag darin, dass bei Nutrias – ebenso wie bei Haus- und Wildschweinen – vor der Verarbeitung zum Lebensmittel eine Untersuchung auf Trichinen gesetzlich vorgeschrieben war. Nach einer Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist die Untersuchungspflicht aufgrund der rein pflanzlichen Ernährung der Tiere seit Mitte 2020 nicht mehr nötig.
Der Ursprung der deutschen Nutrias
Nutrias, die mit Ausnahme des Schwanzes dem Biber ähneln, stammen aus Südamerika und wurden laut Deutschem Jagdverband (DJV) bereits ab dem Jahr 1880 in Deutschland wegen ihres Fleisches und ihres Fells in Farmen gehalten. In der ehemaligen DDR erlebte die Nutriazucht ab den 1960er Jahren einen Boom. Die Felle wurden häufig gegen Devisen ins Ausland verkauft, das Fleisch kam auf die heimischen Teller. Mit der Wende kam im Zuge eines Nachfrageeinbruchs für die meisten Farmen das Aus. Nicht selten wurden die Tiere einfach freigelassen. Entkommene Tiere gründeten eigene Populationen und besiedelten Flüsse, Seen und Teiche. Die Zahl der jährlich erlegten Tiere ist ein Anzeichen dafür, dass sich die Nager stark ausbreiten. So wurden in der Jagdsaison von April 2020 bis März 2021 bundesweit 101 108 Nutrias erlegt – das waren laut DJV 57 Mal mehr Tiere als noch vor 20 Jahren. Die zuletzt meist milden Winter kommen der Tierart sehr entgegen.