Nu­tria – ver­kann­te De­li­ka­tes­se?

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) zählt die Nutria zu den 100 weltweit besonders problematischen invasiven Arten. Hierzulande lassen sich die Tiere relativ leicht mit gewässernahen Fallen fangen. Foto: Mittank
 
Samstag7. Mai 2022Isenhagener Kreisblatt
 

Nutrias wurden einst wegen ihres Pelzes nach Deutschland auf Farmen geholt. Mittlerweile hat sich die aus Südamerika stammende Tierart über das gesamte Bundesgebiet ausgebreitet. Gut 100 000 der Nager wurden zuletzt innerhalb eines Jahres von Jägern erlegt. Eine kulinarische Verwertung bleibt allerdings meist aus.

„Die Be­ja­gung die­ser in­va­si­ven ge­biets­frem­den Tier­art ist lei­der un­um­gäng­lich, da sie wei­test­ge­hend der Scha­dens­ab­wehr dient“, teil­te jüngst ein Spre­cher des Lan­des­jagd­ver­ban­des mit. Denn durch ihre un­ter­ir­di­schen Gänge be­schä­dig­ten die Nager Was­ser­schutz­däm­me und ver­nich­te­ten weite Teile von Schilf­gür­teln. Auch so man­che land­wirt­schaft­li­che Frucht wie etwa Mais und Rüben wird nicht ver­schmäht.

Dabei müss­ten die er­leg­ten Ka­da­ver nach An­sicht des Lan­des­jagd­ver­ban­des kei­nes­wegs un­ge­nutzt weg­ge­wor­fen wer­den. Das Fell der Tiere, die auch als Sumpf­bi­ber oder Bi­ber­rat­te be­zeich­net wer­den, eigne sich mit bis zu 17 500 Haa­ren pro Qua­drat­zen­ti­me­ter zur Ver­ar­bei­tung als Pelz. Das ge­schmol­ze­ne Fett werde man­cher­orts bei der Lin­de­rung von Bron­chitis­sym­pto­men oder einer Lun­gen­ent­zün­dung ein­ge­setzt. Auch das Fleisch gelte in vie­len Län­dern der Welt als De­li­ka­tes­se.

Ge­schmack „zwi­schen Span­fer­kel und Ka­nin­chen“

Dass die ku­li­na­ri­schen Vor­zü­ge des zar­ten und laut Ken­nern „an eine Mi­schung aus Span­fer­kel und Ka­nin­chen“ er­in­nern­den Nu­triaf­lei­sches in Deutsch­land bis­her wenig zur Gel­tung kamen, liegt laut Jagd­ver­band auch an dem ge­rin­gen Be­kannt­heits­grad der Tiere. Au­ßer­dem mute mög­li­cher­wei­se das Er­schei­nungs­bild der Nager oft un­ap­pe­tit­lich an. „Die gro­ßen oran­gen Zähne und der lange nack­te Schwanz äh­neln ja doch eher einer Ratte, wel­che man nicht mit einem wert­vol­len Nah­rungs­mit­tel in Ver­bin­dung brin­gen würde“, heißt es sei­tens des Jagd­ver­ban­des.

Hor­ren­de Prei­se

Unter Fein­schme­ckern und Fleischlieb­ha­bern, die das Neue und Au­ßer­ge­wöhn­li­che su­chen, soll Nu­triaf­leisch der­weil einen klei­nen Boom er­le­ben. Viel­leicht lässt sich damit auch der hor­ren­de Preis von rund 50 Euro pro Kilo er­klä­ren, für den das Fleisch von einer Metz­ge­rei aus Chem­nitz in ihrem On­line­shop der­zeit an­ge­bo­ten wird. Bei Schlacht­ge­wich­ten zwi­schen drei und fünf Kilo kom­men so 150 bis 250 Euro für den Sonn­tags­bra­ten zu­sam­men. Deut­lich güns­ti­ger soll­te es da beim Jäger aus der Re­gi­on wer­den.

Ein Um­stand, der auch viele Weid­män­ner und -frau­en davon ab­ge­hal­ten hatte, die Nager zu pro­bie­ren, lag darin, dass bei Nu­tri­as – eben­so wie bei Haus- und Wild­schwei­nen – vor der Ver­ar­bei­tung zum Le­bens­mit­tel eine Un­ter­su­chung auf Tri­chi­nen ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben war. Nach einer Ein­schät­zung des Bun­des­in­sti­tuts für Ri­si­ko­be­wer­tung (BfR) ist die Un­ter­su­chungs­pflicht auf­grund der rein pflanz­li­chen Er­näh­rung der Tiere seit Mitte 2020 nicht mehr nötig.

Der Ur­sprung der deut­schen Nu­tri­as

Nu­tri­as, die mit Aus­nah­me des Schwan­zes dem Biber äh­neln, stam­men aus Süd­ame­ri­ka und wur­den laut Deut­schem Jagd­ver­band (DJV) be­reits ab dem Jahr 1880 in Deutsch­land wegen ihres Flei­sches und ihres Fells in Far­men ge­hal­ten. In der ehe­ma­li­gen DDR er­leb­te die Nu­tria­zucht ab den 1960er Jah­ren einen Boom. Die Felle wur­den häu­fig gegen De­vi­sen ins Aus­land ver­kauft, das Fleisch kam auf die hei­mi­schen Tel­ler. Mit der Wende kam im Zuge eines Nach­fra­ge­ein­bruchs für die meis­ten Far­men das Aus. Nicht sel­ten wur­den die Tiere ein­fach frei­ge­las­sen. Ent­kom­me­ne Tiere grün­de­ten ei­ge­ne Po­pu­la­tio­nen und be­sie­del­ten Flüs­se, Seen und Tei­che. Die Zahl der jähr­lich er­leg­ten Tiere ist ein An­zei­chen dafür, dass sich die Nager stark aus­brei­ten. So wur­den in der Jagd­sai­son von April 2020 bis März 2021 bun­des­weit 101 108 Nu­tri­as er­legt – das waren laut DJV 57 Mal mehr Tiere als noch vor 20 Jah­ren. Die zu­letzt meist mil­den Win­ter kom­men der Tier­art sehr ent­ge­gen.