Wolfsvorkommen in Deutschland
Seit dem Jahr 1995 sind nach über hundert Jahren Abwesenheit wieder Wölfe in Deutschland ansässig. Auf einem Truppenübungsplatz in der Muskauer Heide in Sachsen wurde vor 13 Jahren das erste Wolfspaar nachgewiesen und im Sommer 2000 die ersten Welpen gesichtet. Seit dem hat sich in Deutschland durch natürliche Ausbreitung eine Population von 33 sicher nachgewiesenen adulten Tieren gebildet (s. Abb. 1). Sechs Rudel und zwei Wolfspaare haben sich im Bereich der Lausitz im Grenzgebiet Sachsen/Brandenburg angesiedelt, ein Rudel ist in Sachsen-Anhalt ansässig. Weitere Wolfspaare wurden im südlichen Brandenburg nachgewiesen. Auch in weiteren Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Bayern und Niedersachsen konnten schon einzelne, territoriale Tiere bestätigt werden.
Die Vergrößerung der Wolfspopulation in Deutschland ist besonders auf die Wiedervereinigung Deutschlands zurückzuführen. Mit dem Fall der Mauer wurde der Wolf auch in der ehemaligen DDR unter Schutz gestellt. Er unterliegt seitdem in ganz Deutschland dem Naturschutzrecht und wird als „besonders geschützt“ geführt.
Der Wolf ist aber nicht nur auf nationaler Ebene geschützt, er wird auch in den Richtlinien der EU (FFH-Richtlinie, Washingtoner Artenschutzabkommen) als prioritäre Art mit höchstem Schutzstatus geführt. Damit einhergehend fordert die EU ein Management für die Population. So soll eine natürliche Wiederbesiedelung alter Lebensräume ermöglicht werden. Konzepte dieser Art werden von den jeweiligen Ländern erarbeitet.
Auch in Niedersachsen gab es seit 2006 Hinweise auf einzelne Wölfe. Das Land bietet in Bezug auf die landschaftlichen Gegebenheiten sowie auf die Populationen potenzieller Beutetiere ähnliche Lebensräume wie die Wolfsgebiete in Sachsen. Besonders Gebiete der
Lüneburger Heide und im südlichen Niedersachsen (Solling, Harz) bieten für den Wolf gute Lebensbedingungen (siehe Abb. 2). So scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der Wolf auch hier wieder territorial ansässig wird. Hier stellt sich die Frage wie sich der neue Großprädator auf das bestehende Ökosystem, speziell die Schalenwildpopulationen, auswirken wird.
Landesjägerschaft Niedersachsen unterstützt Wolfsmonitoring
Die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) begleitet die natürliche Rückkehr des Wolfes nach Niedersachsens zusammen mit dem Institut für Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (IWFo) auf wissenschaftlicher Basis.
Mit dem Wolf nimmt sich die LJN nun einer Art an, die nicht mehr im Jagdrecht aufgeführt ist. Das Präsidium und der Erweiterte Vorstand der LJN haben einstimmig beschlossen, einen neuen Weg zu wagen und sich des Wolfes anzunehmen. Mit Blick auf die Populationsdynamik und den rechtlichen Status der Wölfe in Deutschland ist klar, dass auch Niedersachsen in den nächsten Jahren wieder zum Wolfsland werden wird. In Niedersachsen besteht durch Initiative der Jägerschaft bereits eine enge Kooperation mit dem Ministerium für Umwelt und Klimaschutz (MU) sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung (ML). Das MU hat bereits im Jahr 2009 42 ehrenamtliche Wolfsberater [1] für Niedersachsen benannt. Unter diesen finden sich viele Jäger, Förster und Mitarbeiter weiterer Naturschutzverbände. Die Wolfsberater unterstützen die zuständige Behörde, den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) [2] und gehen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Sie wurden nach nationalen Standards geschult, um Hinweise auf Wolfsvorkommen fachgemäß zu dokumentieren und eventuelle Wolfsrisse zu begutachten. Beim NLWKN werden die Daten schließlich zusammengeführt und abschließend bewertet.
Im Zuge der Kooperationsvereinbarung unterstützt die LJN das Ministerium bei der Dokumentation des Wolfsvorkommens und trägt mit der Einstellung der Biologin Britta Habbe [3] aktiv dazu bei, das bestehende Netzwerk in Niedersachsen zu verstärken. Bei Spuren im eigenen Revier steht sie als Ansprechpartnerin der Landesjägerschaft mit Rat und Tat für die Dokumentation zur Seite.
Alle Jäger können beim Wolfsmonitoring aktiv mitarbeiten: Veränderungen im eigenen Revier, Sichtungen oder Spurenfunde (z. B. Fährten, Losung) sollten zeitnah gemeldet werden. Wölfe nutzen nachts oft das menschliche Wegenetz, so dass die Tiere oftmals direkt in Fahrspuren gefährtet werden können (Abb. 3). Auch Losung wird oft exponiert an Wegrändern und auf Kreuzungen abgesetzt, welche tagsüber abgesucht werden können. Eine Beunruhigung des Wildbestandes durch das Wolfsmonitoring ist daher kaum zu befürchten.
Eine genaue Dokumentation der Funde ist notwendig, damit diese wissenschaftlich für das Monitoring verwendet werden können. So bestehen festgelegte Dokumentationsprotokolle [4], nach denen Spuren aufgenommen werden sollten.
Wolfsnachweise in Niedersachsen
Während es 2006 schon erste Hinweise auf Wolfsvorkommen in Niedersachsen gab, konnte 2007 im Raum Unterlüß ein Wolf fotografiert und somit definitv nachgewiesen werden. Im selben Jahr wurde ein weiteres Tier im Raum Lüchow-Dannenberg auf einer Drückjagd erschossen. Seit Mai 2008 konnte auch im hessischen Reinhardswald ein Wolf nachgewiesen werden. DNA-Analysen identifizierten einen jungen Rüden, der sich wohl schon seit 2006 im Reinhardswald aufhielt und vereinzelt Streifzüge in den niedersächsischen Solling unternahm. Hier wurde er 2008 fotografiert. Mitte April dieses Jahres wurde der Rüde tot und bereits stark verludert aufgefunden. Eine äußere Gewalteinwirkung war nicht erkennbar. Die Überreste des Tieres wurden zur weiteren veterinärmedizinischen Analyse geborgen, deren Ergebnis bisher noch aussteht.
In den Jahren 2009 und 2010 wurden in Niedersachsen keine definitiven Wolfsnachweise gemeldet. Zwar gab es viele Hinweise, diese hatten aber oft aufgrund unsicherer Spuren oder ungenügender Dokumentation keine starke Beweiskraft. Erst im März 2011 wurde ein junger Wolf südlich von Hamburg, in der Nähe von Maschen fotografiert. Die durch Experten bestätigten Fotos ergeben einen eindeutigen Nachweis, dass hier ein Jungwolf auf Wanderschaft ist. Das vermutlich selbe Tier wurde nur wenige Wochen später auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord gesichtet. Hier gelang es nicht nur, das Tier zu fotografieren(s. Abb. 4), es wurde auch eine frische Losung gefunden, die zur DNA-analytischen Untersuchung in das Referenzlabor in Gelnhausen eingeschickt wurde. Die Ergebnisse der Analyse können Informationen über Herkunft und Geschlecht des Tieres liefern.
Parallel zu dem „Maschener Wolf“ ist ein weiteres Tier in Niedersachsen unterwegs: Im benachbarten Bundesland Sachsen-Anhalt ist seit dem Winter 2008/2009 ein Rudel auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow nachgewiesen. Im Frühjahr 2011 gelang es, zwei Jährlingsfähen aus diesem Rudel zu fangen und zu besendern. Seitdem sind die Wanderwege der beiden Tiere genau zu beobachten. Während das eine Weibchen sich immer noch im elterlichen Territorium aufhält, ist die Schwesterfähe Richtung Norden gewandert und konnte Anfang Mai im Raum Lüchow-Dannenberg und Mitte Mai im Bereich Lüneburg geortet werden. Per SMS werden die Wolfsforscher in Sachsen-Anhalt, die das Projekt bis 2012 betreuen, mehrmals am Tag über den Standort der markierten Wölfe informiert. Danach hatte die Wölfin am 4. Mai die Elbe nördlich von Sandau durchschwommen und in der Nacht zum 5. Mai die Lüchow-Dannenberger Kreisgrenze bei Schnackenburg überschritten. Parallel zur Elbe zog sie in Richtung Hamburg. Die Daten des Projektes werden monatlich auf der Homepage des Landes Sachsen-Anhalt [5] veröffentlicht. In Niedersachsen sind über die Telemetriedaten hinaus noch keine weiteren Meldungen an die Wolfsberater über die Wölfin eingegangen. Sie scheint dem Menschen geschickt aus dem Weg zu gehen.
„Human Dimensions“ – Mensch und Wolf
Die Dokumentation des Wolfsvorkommens ermöglicht eine sachliche Information der Jägerschaft sowie der übrigen Bevölkerung. Der Wolf gilt seit jeher als Tierart, die die Gemüter stark erhitzt und dabei positive wie negative Emotionen hervorruft. Oftmals wird hierbei über den „Mythos Wolf“, also die aus Märchen und Geschichten bekannte menschenfressende Bestie, und nicht über die Wildtierart Wolf diskutiert. Sachliche, wissenschaftlich fundierte Daten sollen hier helfen, den Wolf aus der Märchen- und Geschichtenwelt herauszulösen und die Biologie des Tieres objektiv und fachlich zu vermitteln.
Welche Bilder im Zusammenhang mit dem Wolf in den Köpfen der niedersächsischen Jäger vorhanden sind, welche Vorurteile und welche Befürchtungen bestehen, wird in einem weiteren wissenschaftlichen Ansatz bearbeitet. Im Bereich der Sozialwissenschaften wird schon lange erfasst, welche Einstellungen, Gefühle und Meinungen Personen über bestimmte Tatbestände oder Objekte haben. Dieser Forschungsbereich findet auch im Wildtiermanagement immer mehr Anwendung. Die Einstellung des Menschen zum Tier spielt hier eine zentrale Rolle für die Akzeptanz von Vorgehensweisen und Entscheidungen. Die Suche nach den Ursachen von Einstellungen und Meinungen soll helfen, Konfliktfelder zu erkennen und zu bearbeiten.
Schalenwildmonitoring
Eine Befürchtung, dass sich eine Konkurrenzsituation zwischen Jägern und Wolf als Beutegreifer im Revier einstellen könnte, stellt ein potenzielles Konfliktfeld dar. Daher werden im Zuge der Rückkehr der Wölfe nach Niedersachsen die potenziellen Beutetiere in den Fokus gerückt. Das IWFo arbeitet zurzeit ein Schalenwildmonitoring auf. Hierbei sollen Zahlen und Verhalten des Wildes erfasst werden, um im weiteren Verlauf der Rückkehr des Wolfes, neben weiteren Faktoren (Erholungs- und Nutzungsfunktion des Waldes), auch Basisdaten zum Einfluss des Wolfes auf die Schalenwildpopulation zu erhalten. Das IWFo wird verschiedene Erfassungs- und Beobachtungsmethoden einsetzen, die zusammen mit kundigen Personen vor Ort (Förster, Jäger) durchgeführt werden und regelmäßig die Erhebungen evaluieren. Alle Aufgaben werden in enger Zusammenarbeit mit den Niedersächsischen Landesforsten und privaten Revierinhabern durchgeführt.
Mit ihrer aktiven Beteiligung an dem Wolfskonzept Niedersachsens erwirbt die LJN aktuelle Informationen über das Themengebiet aus erster Hand. Die Begleitung der Wiederbesiedelung aus nächster Nähe liefert Daten anhand derer sachliche Diskussionen zum Thema ermöglicht werden. Es ist an der Zeit, die Tierart Wolf neu kennenzulernen. Durch ihren Einsatz erhofft die Landesjägerschaft Niedersachsen sich ein konfliktarmes Miteinander von Jägern, Naturnutzern und dem Wolf in Niedersachsen. Seine eigenständige Wiederkehr stellt eine Bereicherung unserer heimischen Tierwelt dar.
Kontaktdaten
Dipl. Biol. Britta Habbe
Mitarbeiterin der Landesjägerschaft Niedersachsen am
Institut für Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Bischofsholer Damm 15
30173 Hannover
Büro: 0511-8567791
Mobil: 0179-9075166
E-Mail: bhabbe@ljn.de oder britta.habbe@tiho-hannover.de
Literatur
Reinhardt, I. and G. Kluth (2007). Leben mit Wölfen - Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland. BFN-Skripten 201. B. f. Naturschutz. Bonn.
[1] Wolfsberater Landkreis Gifhorn: Dr. Andrea Deeken: 05831-2519260; Elke Meier: 0511-9110524; Joachim Remitz: 0171-9728303, vollständige Liste auf www.wildtiermanagement.com/wildtiere/haarwild/wolf/
[2] Ansprechpartnerin: Bärbel Pott-Dörfer; Tel.: 0511/3034-3201
[3] Britta Habbe, Tel: 0511-856 77 91 oder 0511-530 43 18, bhabbe@ljn.de
[4] erhältlich auf www.wildtiermanagement.com
[5] http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=48523